Norden 2009: Schnuppern in Helsinki
Grossstadt oder Dorf? Für Helsinki scheint beides zu
stimmen. Es verfügt über moderne Gebäude und das eher hektische Treiben
einer Grossstadt. Gleich anschliessend aber wird es auf dem
Marktplatz dörflich rustikal. Das Wort "Dorf" darf aber keinesfalls
abwertend verstanden werden, denn so ist es nicht gemeint. Vielmehr
drückt es die Nähe dieser Stadt zum Land und seinen Traditionen aus, ein Phänomen, das nicht
nur heute spürbar ist, sondern auch beim Blick in die Geschichte
des Landes allgegenwärtig ist.
Nun ja, die Grossstadt, die spürt man beim Bahnhof und im Hotel Radisson
SAS Blu, in dem wir übernachten. Gleich über die Gasse das Grand
Casino. Unser Blick geht direkt in die Küche, die im Dauerbetrieb steht,
zumindest vom Licht her, das immer brennt. Soll es doch, die Casinowelt
ist nicht unsere Welt. Der Bahnhof selber ist für
eine Hauptstadt klein. Basel müsste ja da Weltstadt sein. Aber es hat
damit zu tun, dass Finnland nicht über ein derart feines Streckennetz
verfügt, wie wir es haben. Das macht auch von der Besiedlung her eher
wenig Sinn, ein dichtes Netz für 5 Mio. Menschen zu knüpfen, das in
einem mehrfach grösseren Land lebt, wie die Schweiz.
Die Grossstadt spürt man auch bei den Strassen, die zur Esplanaade
führen. "Bahnhofstrasse" pur. Schmuck, Kleider, Banken und Restaurants
für den gehobenen Anspruch dominieren. Dazwischen kurven die grün-beigen
Trams vorbei. Viele Leute sind unterwegs und es wird auffällig viel
fotografiert. Kamera hier, Kamera dort, Kamera überall. Klick,
klick, klack. Ach ja, das war ich!
Später, bei der Busrundfahrt, erfahren wir, dass hier bei der Esplanaade einst das
ländliche Helsinki begann. Eine simple Kuhweide mit Hirt befand sich
hier, gleich vor der Stadt. In einer Holzhütte, der "Kappeli" hauste er
im Sommer und verkaufte dort die Milch seiner Kühe an die Bewohner von
Helsinki. Heute findet man hier keine Kuh mehr, auch die Holzhütte ist
weg. An deren Stelle steht ein wunderbares Jugendstilgebäude, das
Kappeli, mit Restaurant und exquisitem Blick auf den Esplanaadi-Park.
Gleich gegenüber dann das Musikpavillon, das in der Sommerzeit intensiv und professionell genutzt wird - und das
für die Zuhörer bei
freiem Eintritt.
Wenige Schritte weiter dann der Marktplatz. Dieser ist von
ehrerbietenden Häusern, aber auch dem Hafen eingegrenzt. Munteres
Treiben herrscht hier. Neben wunderbar herausgeputztem Gemüse und
Früchten gibt es
Souvenirs. Ebenso kann man sich in den verschiedenen Beizlis verpflegen.
Eine Mischung von Geschäftigkeit und Feststimmung durchdringt den
Marktplatz. Dieser hat eine Besonderheit: Er findet nicht nur auf dem
Festland statt. Vielmehr legen auch Fischerboote an, die ihre Ware
feilbieten. Fische vor allem, aber auch Gemüse. Spätestens jetzt wird
einem klar, dass das Schiff in Finnland mit seinen unzähligen Seen
intensiv auch als Transportmittel benutzt wird. Ähnlich wie in Holland
haben wohl viele Finnen neben ihrem Auto auch ein Boot, mit dem sie
unterwegs sind - und das eben nicht nur zum Fischen...
Die Fahrt im Touristik-Bus brachte viele Informationen, so etwa zur
Geschichte Helsinkis und Finnlands, den Gewohnheiten der Finnen oder
dass sie zu jenen Nationen gehören, die am meisten Kaffee trinken. Aber
auch das Bier ist populär, und zwar derart heftig, dass es selbst ein
rollendes Pub gibt, das die Biertrinker wohl nur ungern verlassen,
selbst wenn sie das Trämmlifahren alles andere als lieben. Wichtige
Stationen auf der Tour sind die Felsenkirche wie auch das
Sibelius-Denkmal, das von den Touristen rasch einmal durch die eigene
Kreativität frisch interpretiert wird. Es seien keine Orgelpfeifen, die
da als metallene Röhrenbündel dastehen, bemerkt der Kommentator im
Kopfhörer dezidiert, vielmehr symbolisiere das Kunstwerk einer
finnischen Künstlerin den Wald. Beeindruckend ist das
Denkmal auf jeden Fall. Und wussten sie, dass in Helsinki die grösste orthodoxe
Kirche in Westeuropa steht. Wir erfahren es im Bus und staunen einmal
mehr.
Zu erzählen gäbe es da noch sehr viel, aber bei all dem Wissenswerten
gibt es auch Hunger. Der Bus hält zum Glück gleich bei Neumann. Was, Sie
kennen Neumann nicht? Wir auch nicht! Aber weil es so richtig zu
"Schütten" beginnt blicken wir bei Neuhaus herein. Ein wunderbarer Duft
von Kaffee und Schokolade umschwirrt uns, zieht uns magisch an.
Selbstverständlich bleiben wir und lassen uns verwöhnen. Einfach
unbeschreiblich, schon fast wie im Paradies, auch wenn der Regen
draussen weiter plätschert.
Endlich lässt er nach. Wir sausen hotelwärts. Aber oha, schon wieder
gehen die himmlischen Schleusen wieder auf. Dieser Sintflut weichen wir
aus und flüchten in die Einkaufsmeile des Hotels Kämpf. Für Frauen ein
Paradies, die vielen eleganten Modeboutiquen, Schuhgeschäfte und
Bijouterien. Interessant ist aber auch die gläserne Kuppel und die
Ausstattung...
Aber irgendwann lässt das Interesse an der mondänen Welt nach, wir
möchten ins Zimmer, um uns aufzuwärmen. Ein nächster Sprint, dann ein
Nothalt unter dem Eingang eines In-Lokals. Ein letzter Sprint, ein
Blitz, ein ohrenbetäubender Knall! Die wartende junge Frau, die sich
unter ihrem Schirm verkrochen hat, zuckt zusammen! Blankes Entsetzen
verzerrt ihr Gesicht. Sie bewegt sich nicht. Wir aber umso schneller,
denn es sind nur noch wenige Schritte bis ins Hotel. Geschafft...