Norden 2009: Rundwanderung auf Linnansaari
Sitzen, warten, fahren und fahren und weiter sitzen
sowie am Schluss einige Schritte zu Fuss, das ruft nach einem Ausgleich.
Den finden wir heute, und zwar auf der Insel Linnansaari. Sie liegt mit
dem Motorboot gut 15 Minuten entfernt von unserem Resort. Sie gehört zu den grösseren
Inseln in der Gegend um Ovari und ist grösstenteils von einem Wald
bedeckt. Vor allem aber bietet sie einen Rundweg an, der geradezu ideal
ist, um die Beine zu vertreten. Den Transport übernimmt das Resort, in
dem wir übernachten, wobei sie nur wenige Überfahrten am Tag anbieten.
Um 13 Uhr legen wir ab. Nach einer kanalartigen Passage vom kleinen
Hafen des Resorts zum offenen See in gemächlichem Tempo zeigt der
Bootsführer, was in seinem Boot steckt. Zwischen Inseln, Felsbuckeln
hindurch und zwischendurch einem offener Stück See gelangen wir zur
Insel. An einem einfachen Bootssteg hält das Boot an. Der Bootsführer mahnt uns,
dass wir ja um 18 Uhr wieder hier sein sollten. "Nachher fährt von hier
heute kein Boot mehr, das ist das Letzte!"
Ein kleiner Kiosk ist da, Segelboote und Motorboote liegen nicht weit
entfernt von unserem Landesteg. Eine geschützte Feuerstelle hat es auch,
einige bungalowartige Häuschen, ein grösseres, das wie ein
Gemeinschaftsraum ausschaut und eine "Hutten", na ja, das "Häuschen" eben,
sie wissen ja schon.
Vielleicht ist es doch besser, dass wir wieder rechtzeitig zurück
sind...
Noch wichtiger aber ist, was der kleine Blockhauskiosk alles anbietet,
schliesslich haben wir jetzt auch Hunger. Getränke, Glacés, Süssigkeiten
in einer moderaten Auswahl und ein, zwei einfache Gerichte, die direkt
im Freien vorbereitet werden. Als Spezialität wird ein Fischgericht mit dem
im See gefangenen Fisch Muikku angeboten. Der kleine Fisch wird auf dem offenen
Feuer grilliert, geräuchert und vom Feuer direkt auf einer Holzrinde serviert,
begleitet von einem grosszügigen Häufchen Salz.
Der erste Biss in den leicht angesengten Fisch ist nicht einfach. Seine schwarze
Schwanzflosse und die bräunlich bis schwarze Farbe vom Feuer wirken auf den ersten Blick nicht
gerade einladend. Aber der erste Biss lässt alle Zweifel verschwinden.
Mit der Zeit hat man auch den Trick, wie man die Gräte vom Fleisch löst.
Eine wunderbare Mahlzeit, einfach, grosszügig und sehr nahrhaft. Der
beim Grillen des Fischchens beigefügte Zucker nimmt den Rauch auf, so dass
man wirklich einen geräucherten Fisch schnabuliert. Einfach herrlich...
Aber eigentlich haben wir die grosse Insel nicht wegen dem einfach feinen
Festessen angesteuert, sondern eine Rundwanderung um das Eiland geplant.
Verschiedene Möglichkeiten gibt es, um das Eiland im Süsswassersee zu
umrunden. Wir wählen die grosse Umrundung von gut sieben Kilometern mit der Option, eine der
möglichen Abkürzungen zu wählen, damit wir ja nicht zu spät zum
Landesteg zurückkehren.
Der Wald ist dicht und man spürt, dass hier schon länger keine
Menschenhand mehr eingegriffen hat, ausser um den Weg zu sichern. Vorab
gibt es hier Nadelholz und Birken. Neben Farnen in feuchteren Gebieten
dominieren Gräser und Kräuter, aber auch Flechten und Moos. Idyllisch windet sich der Fussweg
durch die Krautschicht und später den dichten Teppich von Moosen und Flechten, dann geht es steil bergauf. Die Humusschicht
ist, wenn überhaupt vorhanden, nur dünn. Immer wieder taucht der blanke
Granitfelsen auf, blitzt zwischen den Bodenpflanzen hervor oder türmt
sich mächtig auf.
Manche Felsformationen erinnern an Fabelwesen, kleine Höhlen werden
sichtbar, in denen etwa Trolle hausen könnten. Dann wieder hat sich ein agil bewegender Saurier auf einem Felsrücken imponierend
in Position gebracht. Aber keine Panik, eigentlich ist es einfach ein
verwittertes Stück Holz. Ein Traumlandschaft, wären da nur nicht die
Mücken. Das sei die finnische Luftwaffe, frotzelt Jochen und sucht das
Weite, weil gerade ein Schwarm eine Attacke fliegt. Wir wussten ja, dass
die Stechmücken hier in unendlicher Zahl aufkreuzen, jetzt erleben wir
dies als Zugabe in Natura. Ein bestechender Eindruck. Wir können uns
einzig trösten, dass es noch einen Monat früher noch viel mehr von diesen surrenden
Ungeheuern gegeben hat.
Dennoch geniessen wir den Ausblick von einem hohen Felsen aus
über die Seenlandschaft. Der Blick schweift über benachbarte Inselchen
hinweg in die Ferne und verliert sich im Horizont. Auch wenn sich an
diesem Tag die Sonne rar gemacht hat, es ist auch so unbeschreiblich
schön hier oben, wenn da die verflixten Mücken nicht schon wieder
eine neue Attacke fliegen würden...
Wir gehen weiter und stellen fest, dass die Markierungen des Rundweges
unauffindbar sind. Verflixt, wie konnte das ausgerechnet uns passieren.
Aber Grund zur Panik besteht ja nicht, denn auf einer Insel kann man
sich immer verlaufen, dennoch findet man problemlos wieder zurück. Das können
wir bestätigen. Wir entscheiden uns für einen der Pfade, auf dem auch
Trittsiegel von Wildtieren hin und wieder auftauchen. Das Weglein führt
uns weiter
Inselaufwärts. Noch sind wir keine zehn Minuten unterwegs, schon finden
wir das weisse Dreieck wieder, das uns den weiteren "offiziellen" Weg
anzeigt.
Auf dem Rückweg kommen wir zu einem heute unbewohnten Bauerngut. Über
lange Jahre lebte hier eine Familie, die sich unter anderem mit
Viehzucht, Anbau von Gemüse und Kartoffeln durchbrachte. Zudem arbeitete der
Vater als Förster im Wald. Die idyllische Lage des Gehöfts vertuscht das
harte Leben, das seine früheren Bewohner hier führten. Heute ist es Teil
des Naturschutzgebietes, das nicht nur die Insel Linnansaari umfasst.
Die Gebäude werden unterhalten und zeigen als stumme Zeugen, wie die
Menschen hier lebten. Spannend ist auch, wie der Hof mit schräg in den
Boden getriebenen Stecken eingezäunt wurde. Diese Art der Einzäunung
verwendete man auch bei gewissen Weiden. Zudem gibt es dort auch
Varianten, wo mit Astmaterial der Zaun ergänzt worden ist. Für uns
irgendwie ein Gruss aus dem Mittelalter und früher, als ähnlich
gestaltete Etter unsere Dörfer ebenfalls schützend umfingen.
Die Wanderung hat uns müde gemacht. So suchen wir wieder den Kiosk auf.
Noch immer ist die Krähe da, die wir schon am Mittag beobachtet hatten.
Immer wieder nähert sie sich uns und zieht sich erst etwas zurück, wenn
sie findet, man sei nun wirklich zu nahe. Ein junges Pärchen aus der
Schweiz klärt uns auf. Die Krähe hätten die Kioskbetreiber aus dem See
vor dem sicheren Tod gerettet und beim Kiosk wieder gesund gepflegt.
Seither bleibt sie bei den Menschen und dem Kiosk und freut sich über
jedes Häppchen, das man ihr zusteckt.
Eine tierische Schmunzelgeschichte liefert aber auch das Paar, das sich
beim Kiosk mit ihren beiden Hunden niedergelassen hat. Sie sind in ein
Kartenspiel vertieft und vertreiben sich auch diese Weise die Zeit bis
zur Rückfahrt. Die Vierbeiner liegen bei ihnen und sind angespannt, wenn
eines der beiden Herrchen den Platz verlässt. Es ist sechs Uhr. Wir
warten auf die Betreuerin des Kiosks, welche uns nach Oravi
zurückbringen wird. Jeder macht hier alles - offensichtlich!
Schwimmwesten anziehen, einsteigen, wir machen es beinahe schon wie
Routiniers.
Auch das Pärchen mit seinen Hunden weiss, wie es läuft. Aber, oh je, der
kleinere, schwarze Vierbeiner will partout nicht ins Boot. Locken,
zureden, schupsen und was noch alles für Tricks wollen nicht
funktionieren. Endlich, endlich gibt er dem drängen nach, nimmt so etwas
wie einen Anlauf und stürzt sich mit Todesverachtung auf das Boot. Aber
vorsichtig wie er ist, der Schlawiner, springt er nicht über das
Bootsgeländer, sondern versucht sich zwischen diesem und der Bootswand
durchzuquetschen. Frauchen und Herrchen helfen ihm lachend. Na ja und
er, er verzieht sich verärgert, so gut es geht. In Oravi aber lässt er
sich nicht zweimal Bitten. Ein eleganter Sprung aufs Festland legt er
hin, um ja schnell von dieser unsicheren Nussschale wegzukommen als
wollte er mit seinem Gebell auch sagen: "Zum Glück, ich bin noch einmal
heil davongekommen...!"